Warum Depressionen gesunde
"Notfallreaktionen" sein können
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Die unter dem Begriff „Depression“
zusammengefassten Phänomene treten sehr häufig in Situationen auf, in
denen sie durchaus Sinn machen: Wenn jemand im Rahmen eines Infektes,
einer Autoimmunerkrankung oder auch eines Krebsleidens „depressiv“ (also
antriebslos) wird (was häufig der Fall ist), hat dies zur Folge, dass sich
der Organismus zwangsweise „schont“ und keine weiteren Energien unnötig
verausgabt. Die verbleibenden Energien stehen fortan („ökonomisch“
vernünftig) vor allem der Lösung des „Hauptproblems“ zur Verfügung.
Gleichzeitig legt die interne „Anpassungszentrale“ gleichsam den
Hauptschalter um, indem sie weitere „Brems-Programme“ (etwa in Form von
Schmerz und/oder Angst sowie von Gedächtnis-, Denk- und
Konzentrationsstörungen) startet. Im Zusammenhang mit „Depression“ sollte
man daher nicht pauschal und undifferenziert von „Krankheit“ sprechen. Mit
gleichem Recht könnte man in manchen Situationen auch das Fehlen einer
Depression als „krankhaft“ bezeichnen (etwa wenn sich jemand in einer
sinnlosen Weise „ungehemmt“ völlig verausgabt, ohne dabei depressiv zu
werden). Depressionen als „affektive Störungen“ zu betrachten, kann den
Blick trüben, wie die bereits genannten Beispiele verdeutlichen. Denn
„gestört“ ist keineswegs immer in erster Linie der Affekt (das Gefühl),
sondern eher die Fähigkeit, sich bestimmten Gegebenheiten erfolgreich
anzupassen. Wer in solchen Situationen am Affekt herumkuriert, „bekämpft“
nicht die Ursache, sondern den Falschen. Die Situation ähnelt dem Bemühen,
einen Brand zu löschen, indem man die Sirene abstellt. Wenn sich
Depressionen trotz Behandlung nicht bessern, kann dies darauf hinweisen,
dass sie ihren Zweck noch nicht erfüllt haben. Angst und Depression allein
„machen“ nicht zwangsläufig schon krank. In manchen Situationen zielen sie
darauf ab, „Gesundheit zu erhalten“ bzw. das „Überleben zu fördern“, indem
sie (leider nur sehr unspezifisch!) Gefahren signalisieren. Vielleicht ist
dieser wenig differenzierte Mechanismus ein Erbe unserer tierischen
Vorfahren, bei denen es noch wenig auf bewusste „Erkenntnis“ ankam.
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