Warum Depressionen nicht
pauschal verteufelt werden sollten
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Die mit dem Begriff „Depression“
zusammengefassten Phänomene lassen sich zumindest in der Anfangsphase
häufig als vernünftige „Anpassungsreaktion“, als sinnvolle
„Abwehrleistung“ oder als warnendes Körpersignal (Hinweis auf
„Fehlfunktionieren“) interpretieren. „Depressionen“ verdienen es genau so
wenig, von vornherein als „Krankheit“ eingestuft zu werden wie Husten,
Erbrechen, Durchfall, Fieber oder Schmerz. Erst wenn sich die als
„Depression“ beschriebenen Phänomene verselbstständigen (chronifizieren,
„außer Kontrolle geraten“, sich zu „Selbstläufern“ oder „Gewohnheiten“
entwickeln), werden sie sinnlos und damit zu störender „Krankheit“. Dass
viele depressive Phänomene normale Vorgänge darstellen, spiegelt sich
nicht zuletzt in einer relativ hohen Spontanheilungsrate wider
(„Placeboeffekt“). Leider droht derzeit insofern eine gewisse
„Verteufelung“ der Depression, als sie zunehmend als dasjenige
Gesundheitsproblem herausgestellt wird, das die meisten mit einer
Behinderung verbundenen Lebensjahre auf sich vereint. Dies stimuliert
Bemühungen, Depression zu „bekämpfen“ oder gar „auszurotten“. Die
entsprechenden Zahlen geben jedenfalls keine Auskunft darüber, wie häufig
Depressionen (nur) Begleiter („Warnsignale“) anderer Erkrankungen sind.
Möglicherweise nehmen Depressionen deswegen an Häufigkeit zu, weil die
heutigen Lebensumstände (z.B. Arbeitslosigkeit, Informations- bzw.
Reizüberladung, Auflösung stützender Familienverbände) viele Menschen
überfordern. Wenn dem so sein sollte, wäre es dann nicht sinnvoller, die
Lebensumstände zu verbessern, statt das Warnsignal zu beseitigen? |
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